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Bericht über die IASA-Jahrestagung 2018

23. - 24. November 2018 in Bremen

Programm

Ia-Wau-Miau-Kikeriki

„Rockig, poppig, frisch gepresst und wie aus Bremen gesendet wird“

Keine Sorge, die IASA-Tagung fand 2018 nicht auf dem Bauernhof statt. Bei der Suche nach einer originellen Überschrift für diesen Bericht kamen mir die Bremer Stadtmusikanten nicht aus dem Sinn und mussten deshalb mit ihren Lauten herhalten. Dabei zeigte die Tagung, dass aus Bremen wirklich beeindruckende Klänge kommen, wie die Beiträge vom Verein „Freunde des Sendesaales Bremen e. V.“, die Führung durch das Klaus-Kuhnke-Archiv für Populäre Musik oder die Exkursion zum Schallplattenpresswerk der Pallas Group nach Diepholz bewiesen. Schon diese drei vorab genannten Beispiele stehen für die Attraktivität der Tagung, die in Zusammenarbeit mit dem Klaus-Kuhnke-Archiv für Populäre Musik und der Günter-Grass-Stiftung im Studienzentrum Künstlerpublikationen / Weserburg (Teerhof) ausgerichtet wurde.

Was es aus Bremen zu hören und vor allem auch zu sehen gibt, das erfuhr man nach der Begrüßung durch Ulrich Duve (Vorsitzender der IASA-Ländergruppe Deutschland/Schweiz e. V.). Im Eröffnungsteil wurden Bremer Institutionen vorgestellt. Dazu gehörte zuerst der Bericht von Anne Thurmann-Jajes und Bettina Brach vom Studienzentrum für Künstlerpublikationen über die „SoundCollection“. Diese wurde von Guy Schraenen aufgebaut und 2018 vom Studienzentrum erworben. Sie enthält Sound-Arbeiten bildender Künstler sowie deren Cover-Gestaltungen und widmet sich der faszinierenden Verschränkung von visuellen und akustischen Werken im Bereich der bildenden Kunst mit dem Schwerpunkt Vinyl-Künstlerschallplatten.

http://forschung-kuenstlerpublikationen.de/Sound-Collection.html

Ein weit größeres und sogar vom Abriss bedrohtes „Medium“ mit einer bedeutenden Historie ist der 1952 erbaute Sendesaal Bremen mit seiner Haus-in-Haus-Bauweise, die durch eine originelle Konstruktion aus Blattfedern und Holzbauelementen eine einzigartige Akustik erreichte. Peter Schulze vom Verein „Freunde des Sendesaales Bremen e. V.“ informierte die Tagungsteilnehmer über die wechselvolle Geschichte des nun unter Denkmalsschutz stehenden Gebäudes, das glücklicherweise weiterhin für vielfältige Musikproduktionen genutzt werden kann. https://sendesaal-bremen.de/

Landesfilmarchive sind geeignete Einrichtungen, in denen man mehr als gewöhnlich und mit einer anderen Sichtweise etwas über eine Region erfahren kann. Erstaunlich wird es besonders dann, wenn die Filme aus der Anfangszeit des bewegten Bildes stammen. Das Landesfilmarchiv Bremen, vorgestellt von Daniel Tilgner, sammelt und bewahrt historische Filmdokumente. Neben Bremen und Bremerhaven gehören der norddeutsche Kulturraum insgesamt und maritime Themen zu den Sammlungsgebieten. Ob Privatfilm, Firmen-, Produktions- oder Werbefilm, das Landesfilmarchiv sucht, sichtet, begutachtet, sichert und digitalisiert  historisches Filmmaterial aller Art. www.landesfilmarchiv.de

Kurt Deggeller moderierte anschließend den Themenkomplex: “Perspektiven institutioneller audiovisueller Archivierung“ und kündigte seinen Schweizer Landsmann Rudolf Müller (Bereichsverantwortlicher Ton und Radio bei „Memoriav - Verein zur Erhaltung des audiovisuellen Kulturgutes der Schweiz“) an, der unsere Kenntnisse über die „Rundfunkarchivierung in der Schweiz“ auf den neuesten Stand brachte und das Engagement von Memoriav erläuterte. Einige Gesetzesänderungen folgen der fortgeschrittenen Entwicklung, die z.B. den Wechsel von der konventionellen UKW-Übertragungstechnik zum digitalen DAB+ und die Massendigitalisierung beinhaltet. Eine festgelegte „dauerhafte Erhaltung“ steht im „Dialog mit der Öffentlichkeit“.

http://memoriav.ch/wp-content/uploads/2018/12/Pr%C3%A4sentation_IASA_LG_2018_RM.pdf

Tief hineinschauen in die Medienerschließung ließen uns Oliver Hofrichter (Radio Bremen) und Jonas Frost (Deutschlandradio) mit ihren Ausführungen zu „Audiomining in der Mediendokumentation“. Audiomining ist ein automatisiertes Verfahren, mit dem es möglich ist, Passagen in audiovisuellen Beiträgen zu finden. Oliver Hofrichter erstellte ein Konzept für die Integration von Audiomining in das Hörfunk-Produktionssystem und betreute die praktische Durchführung. Jonas Frost begleitete ein Projekt, das zukünftig zahlreiche Metadaten aus dem Audiomaterial automatisiert auslesen soll und dadurch die Bereitstellung von Radiobeiträgen auf unterschiedlichen Plattformen wie z.B. Mediatheken erleichtert.

http://ptko-presseforum.de/wp-content/uploads/2018/08/Hofrichter_Tiesler-Automation_im_Archiv_Audiomining.pdf

Zum Abschluss des Vormittags stellte Corinna Haas (ICI Berlin Institute for Cultural Inquiry) im Vortrag „Video Lectures und RDA“ zuerst ihr Institut vor, das sich der Frage widmet, wie unterschiedliche Kulturen in eine produktive Spannung gebracht werden können. Dazu entwirft es Leitprojekte, die für eine internationale Gruppe der Ausgangspunkt eigener Aktivitäten sind. Im thematischen Umfeld der Leitprojekte führt das Institut auch vielfältige wissenschaftliche und kulturelle Veranstaltungen durch. Die davon zeugenden Video Lectures können auf der Website angesehen werden. Die Katalogisierung dieser Videos stößt an die Grenzen des neuen bibliothekarischen Regelwerkes RDA (Resource Description and Access). Das ist eine Herausforderung für die bibliothekarische Erschließung im Katalogverbund. https://www.ici-berlin.org

Am Nachmittag teilte sich das Programm in den „Workshop: Notfallmanagement“ mit Albrecht Häfner (Mitglied des Technical Committee der internationalen IASA) und in die von mir besuchte Parallelveranstaltung „Musik, Geschichte, Dissens und Kampagnen audiovisuell vermittelt“. Moderator Jochen Rupp präsentierte zuerst die „Swiss Music Archives“ von Stefan Länzlinger (Leiter Abteilung Archiv, Schweizerisches Sozialarchiv, Zürich und Vorstandsmitglied Swiss Music Archives). Dieser Verein widmet sich in Zürich seit 2014 der Sammlung und Digitalisierung von popkulturellem Quellenmaterial. Ein Schwerpunkt ist die Dokumentation der ACID-Bewegung sowie der House-Szene, zwei Stilarten der Rock- und Popmusik. Das Sammelgut von Privatpersonen und Sammlern einerseits sowie Archiven, Bibliotheken usw. andererseits soll vernetzt erschlossen und damit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. https://www.swissmusicarchives.ch/de/

„Multimediale Reisen in die Österreichische Geschichte“ unternahm Gabriele Fröschl (Leiterin Österreichische Mediathek, Wien) mit den anwesenden Tagungsteilnehmern danach gleich von Bremen aus. Natürlich geht das nicht ohne einen musikalischen Stadtplan, der u.a. durch Wien und Salzburg führt und mit ca. 300 kulturhistorisch bedeutenden Archivaufnahmen, Texten und Fotos Stadtspaziergänge begleitet. „Der audiovisuelle Atlas“ kann auch Themen behandeln, indem er z. B. den Spuren der jüdischen Gemeinde „Sechshaus“ folgt. https://www.mediathek.at/audiovisueller-atlas/

Vor dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ (der politisch, ideologisch, wirtschaftlich und physisch strengen Grenze) war Osteuropa nicht nur von der westlichen Welt abgeriegelt, sondern wurde auch innerhalb diktatorisch beherrscht. Welche Möglichkeiten des Informations-und Kulturaustausches es dennoch gab, erläuterten uns Manuela Putz, Karina Garsztecka und Maria Klassen vom Archiv der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen mit ihrem Beitrag „Audiovisuelle Zeugnisse osteuropäischer Dissidenten“ und betrachteten dabei besonders Polen mit der Solidarno??-Bewegung und die Sowjetunion. Für illegale Ton- oder Videoaufnahmen verwendete man häufig Kompaktkassetten oder VHS-Kassetten. Der Erfindungsgeist schuf eigene Medien, wie z.B. die „Röntgenschallplatten“, für die gebrauchte Röntgenfilme als Material dienten.   https://www.forschungsstelle.uni-bremen.de/

Wussten Sie schon, dass „Kundi“ kein Ost-Spion, „Wattfraß“ kein Meeresungeheuer und „Ampelinchen“ keine Gummibärchen sind? Alle sind nämlich Aufklärer aus tiefster DDR-Zeit und sollten die Kinder des verblichenen Staates zu deren und zu dessen Stärkung über Missverhalten in der Hygiene (Kundi), beim Elektroenergieverbrauch (Wattfraß) oder im Straßenverkehr (Ampelinchen) aufklären. Nun, mit dem Beitrag sollte die DDR nicht „verpittiplatschisiert“ werden. (Der kleine Kobold „Pittiplatsch“ war der „Pumuckl der DDR“). Was für mich ein Wiedersehen aus Kinderzeit war, fasste Jörg-Uwe Fischer (Schriftgutbestände & Sammlungen, Deutsches Rundfunkarchiv DRA) unter dem Motto „Kampagnenfiguren des DDR-Kinderradios“ zusammen und brachte das DRA nach der Exkursion bei der Tagung 2017 in Berlin wieder ins Blickfeld. www.dra.de

Am späteren Nachmittag startete der mit Spannung erwartete Ausflug in das eine Fahrtstunde von Bremen entfernt liegende Diepholz, wo eine Führung durch das Schallplattenpresswerk Pallas GmbH auf uns wartete. Das Presswerk war ein lohnendes Ziel und die Besichtigung vertiefte die Kenntnisse über die Vinyl-LP-Herstellung enorm. Der Geschäftsführer Holger Neumann führte uns ohne Hast und Eile höchstpersönlich durch sein Werk, in dem wir die laufende Produktion besichtigen konnten, bei der anstatt Schallplatten erst einmal die zischenden, stampfenden und emsigen Maschinen den Ton angeben. Trotzdem bleibt es auch nach dem spannenden Rundgang erstaunlich, wie mit so großer Maschinenkraft eine höchstsensible Schallplatte entstehen kann, die dann auch noch als farbenfrohe Erscheinung eine klanglich treue, schöne oder freudige Wiedergabe ermöglicht. Es wäre abendfüllend, über diese Exkursion zu berichten. Deshalb sei auf eine ausführliche Reportage von Nick Mavridis verwiesen:

https://www.fairaudio.de/hintergrund/pallas-schallplatten-presswerk-railroad-tracks-masteringstudio-besuch-1-dwt/

Durch den dichten Berufsverkehr in der S-Bahn fühlten wir uns ebenfalls wie frisch gepresst und fanden anschließend erquickende Gastfreundlichkeit im Restaurant „Künstlerhaus Am Deich“ mit seinen besonderen Angeboten, die aber auf Porzellan- anstatt auf Plattentellern serviert wurden.

Jedes Jahr zur gleichen Stunde… tagt die Mitgliederversammlung der IASA, so auch am zweiten Tag der Tagung in Bremen. Das Protokoll gibt über diesen Teil der Tagung Auskunft, so dass hier nicht doppelt über die Vereinsangelegenheiten berichtet werden muss. Die Tagesordnungspunkte behandelten Abläufe des Vereinslebens, wie z.B. den Nachrichtenversand per e-mail, die elektronische Adressenverwaltung und den elektronischen Versand. Außerdem gab es Informationen zur nächsten IASA-Tagung der Ländergruppe am 15. und 16. November 2019 in Weimar sowie zur internationalen Tagung der IASA vom 30. September bis 3. Oktober 2019 im “Netherlands Institute for Sound and Vision” in Hilversum (Niederlande). Hilversum liegt unweit von Amsterdam, wo die IASA vor 50 Jahren gegründet wurde, so dass der Gründungsort gut erreichbar ist. Außerdem schlug Ulrich Duve in herzlichen Worten vor, die Ehrenmitgliedschaft an Detlef Humbert zu verleihen, was die Zustimmung der Anwesenden fand und von Detlef Humbert in bewegenden Worten angenommen wurde. Erinnert wurde noch einmal an die Vorstandswahlen 2019, bei denen besonders die Wahl des Sekretärs im Blickpunkt steht.

Gleich nach der Kaffeepause kam die Tagung wieder zur Sache, nun aber im „Offenen Forum“, weit über den „Platten“-Tellerrand hinausblickend. Moderator Detlef Humbert stellte dazu zuerst Sigrid Dauks, (Zentrales Archiv der Universität Bremen) vor, die über den „Arbeitskreis Bremer Archive“ als Netzwerk mit gemeinsamer Öffentlichkeitsarbeit sprach. Dieser Zusammenschluss von fast 40 Archiven aller Art vom Staatsarchiv über die Archive in Kultur-, Bildungs- und Forschungseinrichtungen bis hin zu den Stadtteil- und Heimatarchiven besteht seit 2001. Die Kooperation zeigt sich u.a. in Ausstellungen, Veranstaltungen, der Teilung von Kapazitäten, der gemeinsamen Nutzung von Kompetenzen, der Bündelung von Ressourcen oder der Kostenteilung zur besseren Wahrnehmung der Archive. https://www.bremer-archive.de/

Spezieller war das folgende Thema, an das uns Tom Lorenz (Managing Partner der Firma Cube Tec) mit seiner Präsentation der Firmengeschichte und der Auswirkung der Produkte auf die Arbeit der Schallarchive heranführte. Cube-Tec entwickelt Lösungen für große Medienarchive und hat umfangreiche Erfahrungen bei aufwändigen Mediendigitalisierungsprojekten. Des Weiteren liefert Cube-Tec Produkte zur technischen Qualitätsüberprüfung von Medienformaten, Werkzeuge zur Automatisierung von Abläufen in der Verarbeitung großer, dateibasierter Medienbestände sowie für die Neuformatierung umfangreicher Sammlungen von physischen Medien (z. B. Quadriga). Für die Endnutzer der digitalisierten Daten bietet der Einblick in die hochspezialisierte Wegbereitung interessante Erkenntnisse, die sonst nicht in derem Focus liegen. https://www.cube-tec.com/de

Dazu passte dann auch gleich der Praxisbericht „Digitalisierung von Kompaktkassetten“ von Sarah Eimer (Deutsche Nationalbibliothek). Dort kam nämlich Cube Tec Quadriga zum Einsatz. Die 50.000 industriellen und privaten Kompaktkassetten (MC) liegen zum Teil als parallele Ausgaben zu CD oder LP ohne Begleitmaterial vor. Zu den vielfältigen Aufgaben bei der Digitalisierung durch einen Dienstleister gehören z. B. die Pegelangleichung oder die Azimutkorrektur (Anpassung des Aufnahme- und Wiedergabekopfes). Die Digitalisate liegen als WAV-Dateien ohne Tracks und Tiefenerschließung vor. Es gibt keine Bereitstellung als mp3. Zu den Metadaten gehört die bibliographische Beschreibung. Seit 2017 wurden 10.000 Kassetten digitalisiert.

https://d-nb.info/1180653319/34

Aus gleichem Haus kamen die „Neuigkeiten aus dem Deutschen Musikarchiv der Deutschen Nationalbibliothek“, die uns Ruprecht Langer (Deutsches Musikarchiv) überbrachte. Er gab uns einen Überblick der laufenden Projekte, zu denen die Retroimigration des zum Teil beschädigten CD-Bestandes gehört. Mit 60.000 CDs pro Jahr seit 2010 ist jetzt ein Stand von 600.000 CDs erreicht. Das Tonstudio digitalisiert je nach Bedarf auf Anfrage die 160.000 Schellackplatten. www.dnb.de/dma

Im „Offenen Forum“ der IASA-Tagungen sind die Vorträge von Claus-Peter Gallenmiller (Gesellschaft für Historische Tonträger - GHT), wohlbekannt. So konnte er darauf aufbauend über „Neues von der GHT-BaseWeb“ berichten. Dieses virtuelle Archiv nimmt immer mehr die Rolle als tönende Diskographie ein und wartet mit detaillierten Informationen auf, wozu Label-Scans, Informationen zur Plattenfirma, biographische Daten zu den Künstlern und Komponisten und diskographische Angaben gehören. Online-Player mit Regelung der Abspielgeschwindigkeit (Speedcontrol ) und Daten dazu sowie „Links to books and papers“ runden die Menge der Metadaten ab. http://www.phonomuseum.at/

Nach dem „Offenen Forum“ folgt bei den IASA-Tagungen der Programmteil „Next Generation“, der wieder von Sonja Wohllaib moderiert wurde. Der Beitrag „'Autorenlesungen' am Literaturarchiv Marbach“ musste aus Zeitgründen verschoben werden. Stattdessen hörten wir zuerst etwas über „Phonograph und ethnografische Forschungspraxis“ von Johannes Mueske (Universität Zürich/Deutsches Museum München). War das nun Nachrichtentechnik oder waren das Musikautomaten? Die Phonographen wurden gern von Ethnologen auf ihren Forschungsexpeditionen als Geräte zur akustisch-mechanischen Aufnahme und Wiedergabe von Schallereignissen mithilfe von Tonwalzen verwendet, weil damit immerhin eine Direktaufzeichnung ohne Zwischenschritte möglich war. Von Forschern wurden sie als „unparteiische Apparate“, die „trotz noch so grober Fehler…unentbehrliche Helfer“ waren, bezeichnet. Man konstatierte, dass eine Phonographen-Aufzeichnung so falsch sein kann wie eine schlechte Photographie. Allerdings mussten die Menschen oft über religiöse, traditionelle oder rituelle Hürden zu den Aufnahmen bewegt werden. www.isek.uzh.ch

Nun gab es zeitlich, örtlich und thematisch einen flinken Wechsel aus der Vergangenheit in die Gegenwart zum bereits angekündigten Beitrag „'Autorenlesungen' am Literaturarchiv Marbach“ mit Lorenz Wesemann (Mediendokumentation und Bibliothek, Literaturarchiv Marbach). Die Digitalisierung, Archivierung, Erschließung und Präsentation von Dokumentaraufnahmen deutschsprachiger Autorenlesungen sind dort ein wichtiges Thema. Das Projekt „Autorenlesungen“ mit sechs Quellen-Sammlungen (Moser’s Buchhandlung Stuttgart, Goethe-Institut Amsterdam, Suhrkamp-Verlag, Verlag Klaus Wagenbach, Nachlass Oskar Pastior und Nachlass Hilde Domin) hat einen vielfältigen und umfangreichen Materialbestand an Tonbändern, Kassetten (DAT, MC), CDs und Minidiscs mit Mitschnitten von Autorenlesungen, die bis in die 1960er Jahre zurückreichen und zu 80% aus Unikaten bestehen. Der Marbacher Online-Katalog bietet umfangreiche, vielfältige und differenzierte Suchmöglichkeiten. Das digitale Tonarchiv www.dichterlesen.net  mit Veranstaltungsmitschnitten zum kostenfreien Nachhören ist ein gemeinsames Projekt des Literarischen Colloquiums Berlin (LCB) und des Deutschen Literaturarchivs Marbach (DLA) und macht seit 2015 online die Veranstaltungsmitschnitte zugänglich. Das Herzstück des Projektes ist das Online-Tonarchiv . Zu entdecken gibt es einmalige Audioaufnahmen von Veranstaltungen u.a. mit Oskar Pastior, Ernst Jandl, Sarah Kirsch und Volker Braun. www.dla-marbach.de

Zum Schluss führte uns Manuel Laudien vom Haus des Dokumentarfilms in Stuttgart auf die „Digitalisierungsstrecke Compact-Cassetten“ und beschrieb diese am Beispiel des dortigen Audiokassettenbestandes. Tagungsbeiträge des Hauses wurden seit dessen Gründung 1991 auf analogen Audiokassetten gespeichert. Durch Hardwareverlust und Alterserscheinungen ist ein Handlungsbedarf entstanden. Der Lösungsweg liegt in der Digitalisierung, die über die hauseigene Videoplattform www.doksite.de zugänglich sind. Die Tagungsinhalte werden über die „YouTube“-Untertitelfunktion automatisch transkribiert, so dass die Digitalisate durchsuchbar sind. www.hdf.de

Obwohl Ulrich Duve nun die Tagungsteilnehmer verabschiedete, bot das Programm anschließend noch die Möglichkeit, „sein“ Reich der Töne, nämlich das „Klaus-Kuhnke-Archiv für Populäre Musik“ (KKA) zu besichtigen. Diese Musikbibliothek für Populäre Musik dürfte eigentlich den meisten Interessierten schon bekannt sein. Nun konnte man sie auch betreten, falls man sich nicht für die Exkursion zum Deutschen Tanzfilminstitut entschieden hatte. Die damaligen Radio Bremen-Redakteure Klaus Kuhnke, Manfred Miller und Peter Schulze gründeten das KKA 1975 als „Archiv für Populäre Musik“. Klaus Kuhnke starb 1988. Danach wurde das Archiv in „Klaus-Kuhnke-Archiv für Populäre Musik“ umbenannt. Seit 1991 befindet sich das Archiv in dem Gebäude, in dem heute der Fachbereich Musik der Hochschule für Künste Bremen ansässig ist. 90.000 der ca. 110.000 Tonträger (Schellack, Vinyl, CD, Kassetten, Tonbänder), 8.000 Bücher (Biographien, Musikliteratur, Lexika) und über 160 Periodika (teilweise vollständig, zum Teil auf Mikrofilm) der Gebiete Populäre Musik, Jazz, Rock, Volksmusik, Soul und Blues sind in der Online-Datenbank erfasst, die eine Albumsuche, Liedsuche, Literatursuche und Urhebersuche ermöglicht. Das Archiv besitzt ein äußerst umfassendes Repertoire seltener Exemplare der Schallplattengeschichte (insbesondere der Vinyl-Ära), das in dieser stilistischen Vielfalt in Deutschland und in Europa einzigartig ist. Einzigartig sind aber auch der Gründungsgedanke des popmusikalisch engagierten Journalisten, Wissenschaftlers und Sammlers Klaus Kuhnke sowie die damit begründeten Ziele und Aktivitäten zur weitreichenden wissenschaftlichen Anerkennung dieses Musikbereiches. www.kkarchiv.de

Das Archiv bot natürlich genügend Möglichkeiten, über so manche Rarität zu staunen und sich mit Fragen an Ulrich Duve zu wenden, womit die Tagung recht praktisch, anschaulich und zum Greifen nah zu Ende ging, ehe nun die Zeit analog wie digital zielstrebig der Tagung im November 2019 nach Weimar entgegeneilt. Die Tagung in Bremen wird, den Organisatoren sei gedankt, noch viele Spuren mit Informationen, Kenntnissen und Anregungen für die weitere Arbeit mit audiovisuellen Medien hinterlassen und somit über die simplen Laute unsere vier eingangs erwähnten Gesellen hinaus im Gedächtnis bleiben.

Stefan Domes

14.08.2019