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Bericht über die IASA-Jahrestagung 2008

07. und 08. November 2008 in Wien

Programm

Der Bericht über die erste gemeinsame Jahrestagung der beiden deutschsprachigen IASA-Regionalgruppen Medien Archive Austria und Ländergruppe Deutschland/Deutschschweiz e. V. in Wien kann nur mit dem Fazit der beiden Vorsitzenden beginnen: Ja, es war ein rundum gelungenes, intensives Treffen, das durchaus noch einen weiteren Tag vertragen hätte. Rainer Hubert und Dr. Michael Crone waren sich darin einig, dass dies der Beginn einer Kooperation sei, die nach weiterer Intensivierung und einem baldigen Wiedersehen verlange.

So lud Dr. Michael Crone in seinem Schlusswort dann auch ausdrücklich die Mitglieder der MAA zur nächsten Jahrestagung der Ländergruppe Deutschland/Deutschschweiz e. V. im November 2009 nach München ein.

Mehr als 70 Teilnehmer und Teilnehmerinnen verfolgten hochinteressante Tagungsbeiträge oder referierten selbst. Sie genossen das beeindruckende Ambiente des Technischen Museums Wiens und das einmalige Flair dieser Weltstadt aus Kultur und Geschichte, Moderne und Gemütlichkeit.

Nach Begrüßung der Anwesenden durch die Chefin des örtlichen Organisationskomitees, Dr. Gabriele Fröschl, hieß die Direktorin des Technischen Museums Wien, Hofrätin Dr. Gabriele Zuna-Kratky, in ihrer bekannt charmanten Art die Gäste aus dem In- und Ausland willkommen und brachte mit einem Augenzwinkern ihre Freude darüber zum Ausdruck, einmal nicht „Kardiologen oder Urologen” zu einem Kongress begrüßen zu können, sondern ihresgleichen. Schließlich stamme sie selbst ursprünglich aus der heute zum Technischen Museum gehörenden Österreichischen Phonothek und sei daher natürlich näher an den audiovisuellen Themen. Die schwieriger werdende „Kulturarbeit unter neoliberalen Vorzeichen” bedürfe bei veränderten äußeren Bedingungen und knapperen Mitteln ganz besonders des gegenseitigen Kennenlernens und des Austauschs zwischen den hier tätigen Gruppen. Ihre Begrüßung schloss Gabriele Zuna-Kratky unter starkem Beifall des Publikums mit einem herzlichen Dank an das Organisationsteam um Gabriele Fröschl und Rainer Hubert.

Hofrat Dr. Rainer Hubert bezeichnete das Treffen beider IASA-Gruppen als „längst überfällig, trotz der internationalen IASA-Aktivitäten und wichtiger EU-Projekte wie Europeana”. Er gab in seinem Grußwort der Hoffnung Ausdruck, nicht zuletzt durch solche gemeinsamen Aktivitäten wie dieses „mitteleuropäische Treffen der IASA-Branches” eine bessere Position gegenüber der EU, in Europa und auch der Schweiz zu erlangen.

Dr. Michael Crone dankte herzlich für die Einladung nach Wien, hob die freundschaftlichen Beziehungen und den kollegialen Austausch mit den Vertreterinnen und Vertretern der österreichischen Medienarchivlandschaft hervor, angesichts dessen er sehr positive Erwartungen an diese Tagung habe. Beeindruckt zeigte er sich von der in Österreich geleisteten Arbeit zur Schaffung einer Nationalen Mediathek und im Besonderen vom „herausragenden Dokument der Österreichischen Chronik des 20. Jahrhunderts”.

Die Grüße der FIAT überbrachte deren neugewählter Präsident und Hauptabteilungsleiter der ORF-Fernseharchive Herbert Hayduck. In seiner Botschaft hob er besonders auf die vielschichtige Bedeutung der Vernetzung ab, sei es in der Kooperation zwischen den Medientypen, sei es zwischen den ORF-Archiven und den ARD-Datenbanken oder im Projekt Europeana, zu deren Stiftungsvorstand die FIAT gehört und das bis 2010 Verweise zu über sechs Millionen digitalen Objekten in Museen, Archiven, Bibliotheken und anderen audiovisuellen Sammlungen anbieten wird. Besondere Bedeutung komme auch der Verstärkung der Stimmen der einzelnen Fachverbände zu, die z. B. durch eine Kooperation wie bei dieser gemeinsamen Tagung gefördert werden könne.

Pio Pellizzari, Vizepräsident der IASA und Direktor der Schweizerischen Nationalphonothek Lugano, gab zunächst einen kurzen Abriss der Wahlen zum Executive Board der internationalen Organisation und blickte auf die erfolgreiche IASA-Konferenz vor einigen Wochen in Sydney zurück. Wie sein Vorredner betonte auch Pellizzari, dass gerade Kooperationen, wie sie in dieser Tagung der beiden Ländergruppen sichtbar würden, das vorhandene Steigerungspotential ganz wesentlich aktivieren könnten.

Unter der Moderation von Dr. Christiane Fennesz-Juhasz präsentierten sich im ersten Themenblock die Medien Archive Austria. Rainer Hubert, Leiter der Österreichischen Mediathek stellte, wie immer humorvoll und kurzweilig, die Medienarchivlandschaft in Österreich vor und gab zunächst einen Überblick über die Medien Archive Austria, die sich aus 25 ausschließlich institutionellen Mitgliedern zusammensetzen. In seiner Auswahl aus diesen gut zwei Dutzend AV-Archiven erläuterte der Referent Aufgaben, Stärken, aber auch Probleme, die etwa die Konzentration in Wien mit sich bringt. So finden sich in Wien Archive von überragendem Rang wie das Phonogrammarchiv, die Mediathek, die Österreichische Nationalbibliothek, das Filmarchiv Austria oder das Fernseharchiv des ORF, während etwa das bedeutende Bild- und Tonarchiv des Joanneums in Graz als Regionalarchiv der Steiermark kein Pendant in den übrigen Bundesländern Österreichs hat. Mit Nachdruck sprach sich Hubert für die Schaffung eines Netzwerks zur Lösung der Probleme auf dem Sektor der Digitalisierungsaufgaben aus.

Siegfried Steinlechner, MAA-Vorstandsmitglied und Redakteur beim ORF, referierte anschließend über BAM - Bibliotheken/Archive/Museen in Österreich. BAM Austria ist kein juristisch verankerter Verein, sondern eine reine Interessengemeinschaft der österreichischen Dachorganisationen im Medienbereich. Seit 2003 finden unter dem Leitgedanken der Bündelung der Kräfte auf kultureller Ebene regelmäßige Treffen statt, um Kooperationen und Initiativen zu fördern und den Erfahrungsaustausch auf dem Gebiet der Bewahrung des Kulturerbes zu pflegen. Dabei „wäre BAM gerne die gemeinsame fachständische Interessenvertretung” etwa zur Setzung von Ausbildungsstandards oder Urheberrechtsrichtlinien. Als Vorbilder auf dem Weg zu künftigen nationalen Netzwerken in Österreich nannte Steinlechner Informations- und Rechercheportale wie www.bam-portal.de oder www.goudanet.nl. Er bescheinigte BAM Austria derzeit trotz eines guten Informationsaustauschs allerdings noch „zu wenig Schlagkraft” und angesichts des Fehlens eines Budgets den „Mangel an wirklichen Projekten”.

Im nächsten, von Dr. Michael Crone moderierten Themenschwerpunkt Gesprochenes Wort wurden drei Projekte in Österreich, der Schweiz und Deutschland vorgestellt. Den Anfang machten Robert Pfundner und Peter Ploteny von der Östereichischen Mediathek Wien mit ihrem Vortrag Webausstellungen - Akustische Chronik Österreichs. Unter der Internetadresse www.akustische-chronik.at finden sich in einer virtuellen Ausstellung viele interessante O-Töne und Filmbeiträge der Jahre 1900 bis 2000, dazu eine Chronik mit umfangreichen Ereignisdaten und die Informationen vertiefende „Sonderausstellungen”, z. B. zum Thema „1968”. Als besondere Problembereiche des beeindruckenden Projekts benannten die beiden Referenten die aufwändige Rechteklärung und das komplizierte Redaktionssystem für die verschiedenen Medienbereiche. Mit großer Sensibilität wurden Töne der NS-Zeit im besonderen Bewusstsein für die Problematik eingestellt, dass hier eine äußerst sorgfältige Kommentierung unerlässlich ist.

Kurt Deggeller, Direktor von Memoriav, dem Verein zur Erhaltung des audiovisuellen Kulturgutes der Schweiz, berichtete über IMVOCS - Images et Voix de la Culture Suisse. Auf der Basis des im Jahr 1996 ins Leben gerufenen Memoriav-Projekts VOCS mit O-Tönen aus dem Schweizer Kulturleben wurde 2002 das Pilotprojekt IMVOCS mit 31 ausgewählten Schweizer Kulturgrößen und dem Ziel gestartet, eine „konsistente Sammlung von AV-Dokumenten zu Persönlichkeiten der Schweizer Kultur” zu schaffen. Bei Abschluss des Projekts im Jahr 2009 werden ca. 1200 Stunden Bild- und Tondokumente im Internet verfügbar sein. Dem Tagungspublikum präsentierte Kurt Deggeller als besondere Leckerbissen O-Töne des großen Schweizer Literaten Friedrich Dürrenmatt (u. a. in einem seltenen Interview in französischer Sprache).

Clemens Schlenkrich, Leiter der Abteilung Sammlungen und Informationsvermittlung beim Deutschen Rundfunkarchiv in Frankfurt am Main, präsentierte im dritten Referat dieses Themenblocks Tondokumente zur Deutschen Geschichte - eine Kooperation des DRA mit dem Archiv Verlag. Ziel dieses Großprojekts ist der „Zugang zur Zeitgeschichte zum Hören und Anfassen”, wobei nicht nur den Rundfunkanstalten, sondern auch einer interessierten Öffentlichkeit über den sonst üblichen Rahmen des „O-Ton-Schnipsels” hinaus längere Tondokumente verfügbar gemacht werden. Seit dem Projektstart Anfang 2005 sind 65 CDs erschienen. Eine Fortführung ist bis Mitte 2009 geplant. In die Kooperation teilen sich zwei Projektleiter beim DRA und dem Archiv Verlag, die Autoren entstammen größtenteils dem DRA, dem auch die tontechnische Bearbeitung obliegt. Neben den Dokumenten werden in sogenannten „Themenmappen” Zusammenhänge und Querverbindungen der Geschichte verdeutlicht.

Am Freitagnachmittag führte Pio Pellizzari durch den Themenkomplex Digitalisierung und ihre Sicherung - und was sollen die „Kleinen” tun? Dieser Frage näherte sich zum Auftakt Nadja Wallaszkovits, Chefingenieurin des Phonogrammarchivs Wien, in ihrem ebenso praxisnahen wie lebendigen Beitrag Qualitätsstandards für die Digitalisierung - auch für kleine Archive. Anhand der IASA-Empfehlungen TC 03 und TC 04 schlug die Referentin den Bogen vom Problem der Hardware-Obsoleszenz und dem etwa um 1990 zu verzeichnenden Paradigmenwechsel („analog zu digital”) bis hin zur immer noch anhaltenden Diskussion, ob analoge Originale aufzubewahren seien. Hier bezog die Referentin eine klare Position für den Erhalt des Originalträgers und untermauerte diese mit Beispielen: Beim A/D-Transfer etwa wird die hochfrequente Vormagnetisierung eines analogen Magnetbandes nicht ausgelesen. Eine fehlerhafte Azimuth-Einstellung kann nur am analogen Original, nicht aber an einer späteren Digitalkopie bearbeitet werden. Den Abschluss des Vortrags bildeten Empfehlungen der auf der IASA-Konferenz in Sydney vorgestellten FACET-Software, „einem sehr guten Tool zur technischen Sammlungsbegutachtung” mit Priorisierungsempfehlung für die Langzeitsicherung. Ein sehr anschauliches Beispiel für die Umsetzung findet sich auf der informativen Website www.jazzpoparkisto.net des Finnish Jazz & Pop Archive unter dem Menüpunkt Digitization/Audio Tape Digitisation Workflow.

Rudolf Müller vom Schweizer Verein Memoriav präsentierte in seinem Referat Mehrfacheinspielungen von Viertelzollbändern - ökonomische, ethische und betriebliche Aspekte im Testbetrieb Ergebnisse eines Pilotprojekts mit der Quadriga 3 Version Beta der Firma Cube-Tec. Zielsetzung war die Erhöhung der Einspielmenge bei Wahrung der Qualität. Müller zeigte an einem minutengenauen Zeitdiagramm, welche Handgriffe und Eingaben erforderlich sind, bevor der eigentliche Einspielvorgang starten kann. Der reibungslose Arbeitsablauf erfordert bestimmte Gegebenheiten, etwa einen möglichst guten Zustand des Originalbandes, ungefähr gleich lange Bänder bei einer ökonomisch sinnvollen Dauer von jeweils mindestens 30 Minuten und das Nichtvorhandensein von Trennbändern. Der Referent zog ein positives Fazit aus dem Test („Die Quadriga 3 erzeugt erfolgreich Audiofiles in gewünschter TC03/TC04-Qualität.”) und empfahl, die Weiterentwicklung der Quadriga 3 bis zur Marktreife zu verfolgen und entsprechende Investitionen für einen künftigen Einsatz vorzusehen.

Über Langzeitarchivierung ohne Archivsoftware berichtete Hermann Lewetz, Österreichische Mediathek Wien, In einem historischen Abriss der Massenspeicherentwicklung an der Mediathek schilderte Lewetz zunächst den „steinigen Weg von Migrationen” seit dem Einstieg mit dem System Sonic Solution und Robotern der Firma Grau im Jahr 1999 bis zur Übernahme der Hardwaresparte durch Comparex. Aus den Erfahrungen einer wechselvollen Zusammenarbeit ergeben sich für den Referenten bestimmte Vorschläge und durchaus vielversprechende Optionen, etwa die auch für kleine Archive machbare Aufstellung dreier RAID-Systeme in einer Größenordnung bis zu 20 Terabyte Speicherplatz. Auch die Nutzung von Open Source-Lösungen (z. B. OpenTMS, OpenSMS, LinBit, Hadoop, Grandata) und besonders der Einsatz eines Linux-Betriebssystems sind als kostengünstige Möglichkeiten für die Langzeitarchivierung überlegenswert.

In einem weiteren Vortrag stellte Rudolf Müller seine im Rahmen der Arbeit bei Memoriav zusammen mit Felix Rauh entwickelte Checkliste zur Vertrauenswürdigkeit von Anbietern auf dem Gebiet der Langzeitarchivierung mit dem Ziel vor, einen „Einblick in einen Prozess auf dem Weg zu Lösungsansätzen” zu geben. Ausgehend von der Situation eines Archivs, das, ohne hierin eigenes Expertentum zu besitzen, mit der Aufgabe konfrontiert ist, vor der Auswahl eines Anbieters dessen Eignung für die Umsetzung der Anforderungen in Bezug auf die Langzeitarchivierung des Archivguts zu prüfen, zeichnete Müller das virtuelle Szenario eines kleinen Stadtarchivs im Schweizer Jura, dessen Daten „irgendwo zwischen Kriminalstatistik und Kataster” eingelagert werden müssen. In insgesamt 83 Fragen werden vielfältige Aspekte der Thematik teils subtil, teils in schlichten, aber vielleicht gerade deswegen elementar wichtigen Fragen angesprochen (Beispiel: „Was passiert eigentlich, wenn jemand versehentlich den Stecker herauszieht?”).

In der anschließenden Plenumsdiskussion wurden die von den drei Vortragenden angesprochenen Fragestellungen, Probleme und Ideen als wichtiger Ansatz gesehen, um dem jahrelangen Sprechen über digitale Langzeitarchivierung ein gemeinsames Handeln der Archive unter Berücksichtigung ihrer wirklichen Anforderungen an die digitale Langzeitarchivierung folgen zu lassen. Pio Pellizzari schloss die erste Hälfte der Tagung mit einem Bonmot zur Definition von „Langzeit”: Dies sei „die Ewigkeit plus ein Tag”.

Ein Abend beim Heurigen in authentischem Ambiente, mit Heurigenliedern und deftigem Essen in der von unseren Wiener Kolleginnen und Kollegen prächtig ausgewählten „10er Marie” bildete den stimmungsvollen Rahmen für Begegnungen, Fachsimpeleien oder ganz einfach Entspannung.

Nach der gut besuchten Mitgliederversammlung unserer Ländergruppe am Samstagvormittag moderierte Kurt Deggeller den Themenblock Film und Ton. Erster Referent war hier Thomas Ballhausen, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Filmarchiv Austria in Wien. In seinem Beitrag Zwischen Nachhaltigkeit und Sensibilisierung. Notizen zu den Fragestellungen archivspezifischer (Editions-) Politik sprach er über Grenzen als notwendige Raster im „Denken des Archivs”. Ausgehend von der Film(archiv-)geschichte zeigte Ballhausen die Umsetzung des Konzepts des „lebendigen Archivs” und verdeutlichte an Beispielen österreichischer Wahlwerbung zum Anschluss an Nazideutschland 1938 und von Wochenschauberichten sowohl die Manipulationen durch die Propaganda als auch die heutige Problematik des Umgangs mit politisch sensiblen Filmmaterialien. Die Frage, so Ballhausen, sei dabei nicht ob, sondern wie derartiges Material der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werde. Die aufgezeigte kritisch-historische Herangehensweise, etwa der daraus vom Filmarchiv Austria publizierten DVD-Edition mit umfangreichem Begleitmaterial, ermöglicht das Erkennen von Zusammenhängen und Wechselbeziehungen im Geflecht von Raum, Zeit und Film.

Ulrich Illing, der heute als Berater tätige frühere Leiter der Studiotechnik der Studio Babelsberg AG in Potsdam, präsentierte in einem ebenso humorvollen wie hochinformativen Vortrag die Berlin-Babelsberger Filmgeschichte. Illing schilderte unter anderem die Sensation der von Oskar Messter ab etwa 1903 bis zum ersten Weltkrieg gedrehten „Tonbilder”, bei denen der kurbelnde Filmvorführer stets vor der Herausforderung stand, die in einer Art „Playback-Verfahren” hergestellten Filme synchron zur parallel ablaufenden Schellackplatte zu halten. Als das Publikum mit schlichten Alltagsszenen nicht mehr zufrieden zu stellen war, entstanden allein in Berlin rund dreißig kleinere Filmwerkstätten, die sich der Produktion auch dramaturgisch gestalteter Filme widmeten. Wegen der vom hochbrennbaren Nitrofilmmaterial ausgehenden Feuergefahr wurde der Technische Leiter der Bioscop-Filmgesellschaft, Guido Seeber, 1911 beauftragt, ein geeignetes Freigelände im Berliner Umland zu finden. In Babelsberg, dem neuen Standort, konnten erstmals Massenszenen gedreht werden, wieder verwendbare Außenkulissen wurden hier erfunden, und es entstanden bereits vor dem ersten Weltkrieg legendäre Filmklassiker wie „Der Golem” oder „Der Student von Prag”. 1921 übernahm die Ufa das Gelände, das den Charakter einer eigenen Stadt entwickelte und zum Herzen der deutschen Filmproduktion werden sollte. Modernste Produktionsstätten entstanden, etwa die im Jahr 1926 erbaute „Große Aufnahmehalle” mit einer Fläche von 20.000 Quadratmetern, die als modernisierte „Marlene-Dietrich-Halle” auch heute noch genutzt wird. Der Referent beendete seinen Vortrag mit einem glühenden Plädoyer für die Aufbewahrung originalen Filmmaterials, dessen Lagereigenschaften die Überlegenheit gegenüber digitaler Langzeitarchivierung begründeten.

Zum Abschluss des Vortragsprogramms dieser Tagung gab das von Detlef Humbert moderierte Offene Forum traditionell Raum für kürzere Referate und Informationsbeiträge. Dr. Christian Dürr vom Archiv der KZ-Gedenkstätte Mauthausen und Martin Gilly, metamagix GmbH Wien, berichteten in ihrem Beitrag Mauthausens Stimmen hören von ihrem Projekt der Konvertierung von 3.500 Stunden mit Interviews Überlebender des Konzentrationslagers. Die digitale Übertragung des auf Minidisc vorliegenden Materials dient der Bewahrung der Aufnahmen zur Erinnerung an die Gräuel des Nationalsozialismus und dem Zugang für wissenschaftliche Arbeiten.

Auf das Projekt der Digitalisierung der José-Maceda-Collection machte Dr. Dietrich Schüller, Emeritus des Phonogrammarchivs Wien, aufmerksam. Maceda, ursprünglich phillippinischer Komponist, wurde zum Doyen der Musikethnologie Südostasiens. Im Jahr 2007 fand die audiovisuelle Sammlung als eine von wenigen Nennungen auf diesem Sektor Aufnahme ins Register Memory-of-the-World. Die Digitalisierung und Schulung in AV-Technik stehen unter der Betreuung von Nadja Wallaszkovits und werden mit Hilfe des Preisgeldes aus dem im Vorjahr an das Phonogrammarchiv verliehenen Jikji-Preises gefördert.

Claus Peter Gallenmiller, Durach, berichtete über Die Lindström-Story und weitere Neuigkeiten von der GHT. Auf dem wie immer von der Gesellschaft für historische Tonträger veranstalteten Discographentag 2008 in Immenstadt war die Firmengeschichte der Carl Lindström AG Schwerpunktthema. Hieraus entstand das Konzept zu „The Lindström Project”, das die Geschichte, Discographie, Aufnahmepolitik und -praxis eines der bedeutendsten Schallplattenunternehmen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts anhand originärer Quellen wie Firmenkataloge und Aufnahmebücher auf der Internet-Plattform des europäischen Dismarc-Konsortiums darstellen wird. Projektleiter ist Pekka Gronow, Helsinki. Der 10. Discographentag findet in Immenstadt vom 15. bis 17. Mai 2009 statt. Weitere Informationen hierzu und zur GHT finden sich auf der Website.

Hans-Werner Kimmerl-Armack, der in Viernheim das Opera-Data-Archiv aufgebaut hat, stellte anschließend in seinem Kurzbeitrag Mozart und seine Tonsetzer-Kollegen sowie deren Nichterwähnung in Musiklexika die Ergebnisse eigener Recherchen vor, wonach Komponisten wie die beiden Mozart-Zeitgenossen Stjepan Degtjarew oder Dimitrij Bortnjanskij zumindest in deutschsprachigen Musiknachschlagewerken vernachlässigt werden.

Was wäre ein Offenes Forum ohne die ebenso erheiternden wie Kurioses aus der Welt der Tonaufnahme ans Licht bringenden Vorträge des Schweizer Sammlerkollegen Jürg König? In diesem Jahr präsentierte er Tops und Flops der Schallaufzeichnung - ein unterhaltsamer Medienmix und hatte zur Illustration einige ungewöhnliche Gegenstände aus dem vorigen Jahrhundert mitgebracht, denen aber gelegentlich der Markterfolg verwehrt blieb. So konnte das Publikum den „Phonograph Repeater” bewundern, eine spezielle Kunststoffschablone zum wiederholten Abspielen von Schallplatten. Von der frühen BCB-Platte, die nur auf dem Plattenspieler des gleichnamigen Herstellers abspielbar war, bis zur Revolution der MiniDisc Mitte der Neunziger Jahre spannte König den Bogen seines wie immer höchst kurzweiligen Vortrags.

In der abschließenden Plenumsdiskussion wurden Ablauf und Inhalt der gemeinsamen Tagung durchweg sehr positiv beurteilt. Mit den eingangs erwähnten Schlussworten der beiden Vorsitzenden und einem großen Dank für die perfekte Organisation an das gesamte Wiener Team unter der Leitung von Frau Dr. Gabriele Fröschl endete diese denkwürdige Konferenz.

Die nächste Jahrestagung der IASA-Ländergruppe Deutschland/Deutschschweiz findet am 13. und 14. November 2009 beim Bayerischen Rundfunk in München statt.

 

Detlef Humbert
Sekretär der IASA-Ländergruppe Deutschland/Deutschschweiz e. V.